Die Elbphilharmonie sagt das Konzert mit Valery Gergiev ab

Gerade eben erreichte uns die Nachricht, dass die Elbphilarmonie das Konzert des Mariinski-Orchesters aus St. Petersburg unter der Leitung des Putin-Freundes Valery Gergiev abgesagt hat. Dieser Entscheidung sind Proteste anlässlich der russischen Invasion in die Ukraine vorausgegangen.

Die Hamburger Elbphilharmonie, Photo: Hackercatxxy, veröffentlicht auf Wikimedia, Lizenz:  Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International

Das Konzert war auch schon vor dem Ausbruch des nun offenen Kriegs Russlands gegen die Ukraine hochgradig umstritten gewesen, weil der Stardirigent Gergiev dafür bekannt ist, nicht nur Putin-Freund zu sein, sondern auch dafür, dass er offen die Annexion der Krim befürwortet und sich auch von dem russischen Eroberungskrieg gegen die Ukraine nicht distanziert. Auch seine Stelle als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker war daher schon vorher Gegenstand von Kritik gewesen, bevor sich die Stadt München heute ebenfalls aus den obigen Gründen entschied, Gergiev von seiner Aufgabe zu entbinden.

Diese Nachrichten überschnitten sich mit der Veröffentlichung eines von vielen ukrainischen Musikern aus dem norddeutschen Raum unterzeichneten offenen Briefes, in dem Generalintendant Christoph Lieben-Seutter aufgefordert wurde, das Konzert des Putin-Aushängeschilds abzusagen. Hier ist der Brief im Wortlaut, gefolgt von der Liste der Unterzeichner:

Sehr geehrter Herr Lieben-Seutter,

während Russland die Ukraine – unsere Heimat – vom Wasser und vom Boden beschießt und aus der Luft bombardiert, während unsere Familienmitglieder, Kollegen, Freunde und Landsleute getötet und verwundet werden, in provisorischen Luftschutzräumen ausharren und massenhaft auf der Flucht sind, schreiben Sie

Es darf Putin nicht gelingen, uns die russische Kultur zu verleiden und uns dazu zu bringen, russische Künstler generell zu boykottieren. Ich hoffe sehr, dass auch Valery Gergiev, ein wichtiger künstlerischer Partner und langjähriger Freund der Elbphilharmonie, dieser Tage ein Zeichen der Distanzierung von dem Überfall Russlands auf die Ukraine setzen wird. Andernfalls werden die für die Osterwoche geplanten Konzerte des Mariinski-Orchesters aus St. Petersburg in der Elbphilharmonie nicht unter seiner Leitung stattfinden können. Im Übrigen sollten wir gerade jetzt auf die völkerverbindende Kraft von Musik, Theater und anderen Künsten bauen, denn dieser Krieg ist kein Krieg des russischen Volkes.

Vor dem Hintergrund dieser Aussage erscheint das Erstrahlen der Elbphilharmonie in den Farben unserer Landesfahne als blanker Hohn. Es ist nicht nur unsere Heimat, die wir Ukrainer gegen Russland mit unserem Leben verteidigen, es sind Werte, wie Menschenwürde, Meinungsfreiheit, und auch die Freiheit der Kunst, die weit mehr sind als nur Grundpfeiler der europäischen Gesellschaftsordnung: auch die europäische Musiktradition ruht in unseren Augen auf diesem Fundament. Diese Prinzipien werden von Russland jahrelang systematisch mit Füßen getreten – nicht nur durch Waffengewalt in der Republik Moldau, Georgien, Syrien und der Ukraine, auch europa- und weltweit, etwa durch Cyberangriffe und gezielte Desinformationsattacken.

In diesem sowohl “hybriden” als auch heißen Krieg ist Valery Gergiev ein loyaler Kämpfer an Putins Seite. Ihr “wichtiger künstlerischer Partner und langjähriger Freund” hat Putin im Wahlkampf unterstützt, er hat seine Befürwortung der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim öffentlich bekundet. Das Orchester des Mariinski-Theaters hat in der Vergangenheit unter Leitung eben jenes Valery Gergiev auf der von Russland okkupierten Krim gastiert, was eine eklatante Missachtung des Völkerrechts darstellt. Egal, wer sich jetzt noch wovon distanziert, kann man einfach nicht anders, als ein Konzert dieses Orchesters unter dieser Leitung als reine Propagandaveranstaltung, als Soundtrack zu den russischen Bomben, zu betrachten.

Sehr geehrter Herr Lieben-Seutter, wir, die Erstunterzeichner, sind schon Gäste auf den Bühnen beider Ihrer Häuser gewesen. Wir durften Sie als kompetenten Gastgeber und die Hamburger als geneigte Zuhörer kennenlernen. Wir weigern uns zu glauben, dass Sie und Ihr Publikum das Renommee der russischen Kunst über das Leben der ukrainischen Menschen stellen wollen.

Es gibt keine Kunst ohne Kontext. Der russische Krieg ist heute der alleinige Kontext russischer Kunst. Wir fordern Sie auf, ein klares und starkes Zeichen gegen den Krieg und für unsere freiheitlich-demokratischen Werte zu setzen. Verzichten Sie auf jeglichen kulturellen Austausch mit dem Land, das Krieg gegen unsere und Ihre Heimat führt. Solange russische Waffen sprechen, muss die russische Musik verstummen.

Erstzeichner
Yaroslavl Shemet – Dirigent
Kateryna Titova – Pianistin
Illya Prysiazhniuk – Tenor
Julia Böttcher – Sopran
André Böttcher – Violine
Andrey Valiguras – Bass
Ihor Salo – Tenor
Khrystyna Zhuk – Sopran

 

Mitzeichner
Iryna Tybinka – Generalkonsulin der Ukraine in Hamburg
Natalia Prysiazhniuk – Opernsängerin
Mariana Sadovska – Künstlerin
Viktor Ploskina – Dirigent
Andriy Yurkevytsh – Dirigent
Volodymyr Syvokhip – Dirigent
Georgij Kurkov – Dirigent
Taras Martynyk – Dirigent
Yuriy Litun – Dirigent
Myroslav Kril – Dirigent
Ivan Cherednichenko – Dirigent
Iryna Vakulinа – Dirigentin
Yossyp Sozansky – Dirigent
Serhiy Horovets – Dirigent
Marharyta Hrynyvetska – Dirigentin
Oksana Khizhovska – Dirigentin
Olena Serova – Komponistin
Ivan Pakhota – Komponist
Bohdan Segin – Komponist
Volodymyr Hronskyj- Komponist
Julia Lysenko – Sängerin
Sophia Soloviy – Sängerin
Myhailo Malafiy – Sänger
Lilia Nikitchuk – Sängerin
Roman Antoniuk – Sänger
Petro Radejko – Sänger
Тетяна Вахновська – Sängerin
Людмила Корсун – Sängerin
Олеся Бубела – Sängerin
Петро Швайковський – Sänger
Оксана Рапіта – Pianistin
Мирослав Драган – Pianist
Danylo Sayenko – Pianist
Роман Лопатинський – Pianist
Marta Kuziy – Pianistin
Maksym Bohut – Pianist
Kostyantyn Tovstukha – Pianist
Andriy Makarevych – Pianist
Oksana Shimanska – Pianistin
Oleksandr Bozhyk – Geiger
Orest Smovzh- Geiger
Назар Федюк – Geiger
Роксоляна Закопець – Geigerin
Соломія Сторожинська – Geigerin
Jarema Pavliv – Geiger
Mykola Hrechukh – Klarinettist
Mykhailo Sosnovskyj – Flötist
Tereza Kataryna – Geigerin
Ustym Zhuk – Bratschist
Denys Severin – Cellist
Maksym Rymar – Cellist
Zoltan Almashi – Cellist
Ruslan Lutsyk – Kontrabasist
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