Rückblick: Autorenabend mit Tanja Maljartschuk

Am 19.10.2022 fand in der Zentralbibliothek der Bücherhallen Hamburg der lang erwartete Abend mit Tanja Maljartschuk statt. Im Mittelpunkt stand ihr Roman “Blauwal der Erinnerung” (orig. Забуття – Vergessenheit), für den sie erst kürzlich mit dem Usedomer Literaturpreis ausgezeichnet worden war.


Das Buch ist unter anderem eine kleine Reise durch die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts, des Ersten Weltkriegs und die kurze Phase der ukrainischen Eigenstaatlichkeit – an die Hand genommen ausgerechnet von einem Wahlukrainer, Wjatscheslaw Lypynskyj, den es wie seine Autorin schließlich nach Wien verschlug. Sein Scheitern zur damaligen Zeit erleben wir in der Gegenwart gespiegelt im parallelen Erzählungsstrang mit der zweiten Protagonistin. Während er zu seiner Lebenszeit unter allen möglichen Krankheiten litt, ist sie von Neurosen geplagt. Wie er ist auch sie unfähig, ein funktionierendes Privat- und Liebesleben aufzubauen.

Wie wir im Gespräch von der Autorin erfuhren, interessierte sie bei ihren beiden Protagonisten besonders die Geschichte des Scheiterns. Gleichzeitig hat sie in gewisser Weise aber auch einen Blick auf eine Phase in der Geschichte der Ukraine geworfen, die entscheidend war für das Konzept der “politischen Nation”, auf dem 60 Jahre später die unabhängige Ukraine errichtet wurde. Lypinskyj wurde somit posthum quasi einer der Väter des neuen ukrainischen Staats, sowohl durch seine nicht-ukrainische Abstammung als auch durch die Konzepte, die er zu Lebzeiten formuliert hatte.

Natürlich erscheinen all diese Themen aktuell angesichts des mörderischen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine noch einmal in einem anderen Licht, und sie haben auch eine dramatische Auswirkung auf die Arbeit eines Autoren. Tanja Maljartschuk brachte das mit der Aussage, sie habe mit dem 24. Februar 2022 faktisch aufgehört, als Autorin zu arbeiten, auf den Punkt. Aber immerhin ist gerade erst “Gleich geht die Geschichte weiter, wir atmen nur aus” – eine Sammlung von vor dem Krieg geschriebenen Essays – erschienen, aus denen sie auch eine Passage vorlas.

Wir danken bei dieser Gelegenheit ganz herzlich Tanja Maljartschuk, und noch auch den Bücherhallen Hamburg für die fruchtbare Zusammenarbeit sowie bei Elias Hanter für die Photos (auch in diesem Beitrag)!

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